AD(H)S - Homöopathie & Co. für den Zappelphillipp
Immer wenn der 8-jährige Philipp von der Schule nach Hause kommt, ist erst mal der Teufel los. Schon an der Tür fängt er an zu schreien: „Das war total unfair! Da geh´ ich nicht mehr hin! … “ Die Mutter gibt sich alle Mühe, ihn zu beruhigen und zu erfahren, was denn eigentlich passiert ist, aber Philip saust wie ein Wirbelwind durch die Wohnung, wirft seine Sachen durch die Luft und ist einfach nicht zu bändigen. An ein genüssliches Mittagessen ist nicht zu denken. Nach vier Stunden Unterricht kann Philipp einfach nicht mehr still sitzen. Zunächst möchte er unter dem Vorwand: „Hab keinen Hunger!“ erst gar nicht an den Tisch kommen. Nach vielen beruhigenden Worten und den verlockenden Geruch seines Lieblingsessens in der Nase, gelingt es schließlich doch, Philip zu bewegen, am Familientisch Platz zu nehmen. Aber kaum sitzt er da, hat er es auch schon auf den Nachtisch seiner Schwester Sonja abgesehen. Der Kampf beginnt. Ein Trinkbecher fällt um, die Apfelschorle ergießt sich über den liebevoll gedeckten Tisch und Mutter steht mal wieder der Schweiß auf der Stirn. Bis sich die Wogen geglättet haben, ist das Essen leider kalt und alle beteiligten sind völlig entnervt.
So oder so ähnlich schildern viele betroffene Familien ihren Alltag. Es fühlt sich an wie ein Teufelskreis, der das ganze Familiensystem ins Wanken bringt und ohne fremde Hilfe oft nicht zu durchbrechen ist. Aber wer hilft Philipp und seiner Familie, wohin können sie sich wenden und wie kann diese Hilfe konkret aussehen?
Immer häufiger werden Kinder in der Praxis wegen Verhaltensauffälligkeiten vorgestellt. Dabei geht es nicht nur um Unruhe und den schwierigen Umgang mit Bezugspersonen oder Gleichaltrigen. Vor allem Lernschwierigkeiten, ein Absinken der schulischen Leistungen und das drohende „Sitzenbleiben“ oder „Abgeschoben werden“ in eine Haupt- oder gar Sonderschule, sind für viele Eltern Anlass, nach Therapiemöglichkeiten für ihre Kinder zu suchen. Haben sie dann den Weg in die Praxis gefunden, verbleibt oft nur noch recht wenig Zeit bis zum bevorstehenden Jahrgangs- oder Schulwechsel. Das setzt alle Beteiligten zusätzlich unter immensen Druck und verschärft die Situation noch weiter.
Für manche ist es hier wichtig und entlastend, zunächst einmal eine Diagnose gestellt zu bekommen, die den Zustand des Kindes erklärt und es somit „rehabilitiert“: Das Kind kann nichts dafür, dass es so ist, wie es ist. Aber viele Eltern wehren sich auch dagegen. Sie wollen nicht, dass ihr Kind in eine Schublade gesteckt oder gar als ´Problemkind´ abgestempelt wird. Oft bestehen deutliche Ängste vor der ´Kontrollübernahme´ durch Lehrer oder Kinderarzt, die zuweilen recht schnell mit der Forderung nach medikamentöser Behandlung reagieren.
Wie dem auch sei, ADS bzw. ADHS ist längst zur häufigsten Diagnose im psychiatrischen Bereich bei Kindern und Jugendlichen aufgestiegen. Woran liegt das? Sind unsere Kinder anders als wir es waren? Und was können wir tun, damit diese Kinder und ihre Umwelt lernen, miteinander klarzukommen?
AD(H)S steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität. Andere Bezeichnungen wie Hyperkinetisches Syndrom (HKS) oder Psycho-organisches Syndrom (POS) geraten heute zunehmend in den Hintergrund, bezeichnen aber dieselbe Sache. Laut internationaler Klassifikation (ICD-10) versteht man unter AD(H)S bzw. HKS ein Verhalten, was sich auszeichnet durch:
Für die AD(H)S-Diagnose müssen diese Parameter über einen längeren Zeitraum und in mehr als einer Situation auftreten, das heißt, nicht nur in einem bestimmten Unterrichtsfach.
Festgestellt wird damit lediglich ein bestimmtes Verhaltensmuster. Aus welchen Ursachen dieses entstanden ist, bleibt unberücksichtigt.
Auch die Fragen, ab welchem Punkt die Kriterien für AD(H)S erfüllt sind und ob damit in jedem Fall ein behandlungswürdiger Krankheitswert festzustellen ist, ist nicht objektiv definiert. So wird das Verhalten eines betroffenen Kindes von dessen Lehrern oft ganz anders eingeschätzt als von den Eltern. Zuweilen erhält man auch völlig unterschiedliche Aussagen, wenn man mit verschiedenen Lehrern spricht. Das liegt zum einen an einer unterschiedlichen Beziehung zum Kind und zum anderen an der sehr individuellen Vorstellung jedes einzelnen, was normal ist und was nicht. Zwangsläufig behält die Diagnose AD(H)S damit einen sehr subjektiven Charakter und sollte erst nach umfassendem Verständnis der Situation des Patienten und nach Ausschluss anderer, eventuell ursächlich beteiligter Erkrankungen gestellt werden.
Den von AD(H)S betroffenen Kindern fällt es schwer, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben. Sie lassen sich leicht durch nebensächliche Dinge ablenken und sie sind in ihrem Handeln sehr spontan und entsprechend unbedacht. Wie sich das bei jedem einzelnen Kind mit AD(H)S zeigt, ist ausgesprochen individuell.
Da gibt es den klassischen „Zappelphilipp“, der nie auch nur für eine Minute ruhig sitzen kann. Schon beim geringsten Impuls springt er auf, vergisst schlagartig, was er gerade getan hat und ist schon wieder mit etwas ganz anderem beschäftigt. Kein Wunder, dass er damit immer wieder in Konflikt mit seinem Umfeld, vor allem mit Lehrern und Eltern, kommt (ADHS, d.h. mit Hyperaktivität oder Plus-Typ).
Auf der anderen Seite finden wir das „Träumelinchen“, welches, oft total übersehen, den ganzen Tag still in der Ecke sitzt. Die Gedanken fliegen von einem Thema zum anderen. Den Unterrichtsstoff und das Klassenzimmer, in dem es gerade sitzt, hat es längst weit hinter sich gelassen, denn es befindet sich auf einer unendlichen Reise seiner Tagträume, die es kaum steuern kann (ADS ohne Hyperaktivität, auch Minus-Typ genannt).
Auf den ersten Blick haben diese beiden Kinder kaum etwas gemein, außer, dass sie Schwierigkeiten haben, dem Schulstoff zu folgen und den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit ziehen aber nicht nur Lernschwierigkeiten und verminderte Leistungen im schulischen Bereich nach sich, sie können auch schwerwiegende Defizite in der emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder mit sich bringen.
In der Realität bewegen sich unsere Patienten meist irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Was sie dazu bewegt, kann so vielfältig sein, wie die betroffenen Kinder selbst. Irgendwo gibt es einen Druck, der ihr seelisches Gleichgewicht überlastet und aus den Fugen hebt. Aber die Quellen, aus denen dieser Druck kommt, können äußerst verschieden sein.
AD(H)S ist nicht, wie manche Publikationen nahelegen, an ein bestimmtes Alter gebunden. Einige Eltern berichten, dass ihr Kind sich schon im Mutterleib durch besonders regen Bewegungsdrang viel stärker bemerkbar gemacht hat, als seine Geschwister. Auch verwächst sich eine Aufmerksamkeitsstörung nicht automatisch mit Eintritt ins Erwachsenenalter. Viele AD(H)S-Patienten haben sich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ausgereifte Kompensationsstrategien angeeignet oder sie suchen sich einen Beruf, in dem ihre speziellen Eigenarten als nützliche Fähigkeiten geschätzt werden. Diese Fähigkeiten von AD(H)S-Patienten können z.B. in Berufen zur Geltung kommen, in denen es auf Flexibilität und schnelles Handeln ankommt. Entsprechende Berufe könnten sein: Journalist, Akquisiteur, Animateur, Manager, auch Improvisations-Künstler, Show-Master etc.
Besonders gehäuft treten vermeintliche Erstmanifestationen in den klassischen Belastungszeiten auf, in denen die Kinder lernen müssen, sich auf neue Situationen einzustellen. Hier wird der Druck oft so groß, dass die bisherigen Kompensationsmöglichkeiten nicht mehr ausreichen und das Besondere dieser Kinder deutlicher zu Tage tritt.
Welche Ursachen hat AD(H)S?
Als mögliche Ursachen von AD(H)S sind zum einen erbliche Faktoren zu nennen. In diesem Fall sehen wir vergleichbare, für AD(H)S typische Verhaltensweisen bei anderen Familienmitgliedern, insbesondere bei den Eltern. Aber auch Probleme während der Schwangerschaft und Geburt, wie Mangelversorgung, psychischer oder emotionaler Stress der Mutter und Geburtstraumen sowie Schädel-Hirn-Traumata und Entzündung des Zentralnervensystems in der frühen Kindheit kommen als mögliche Ursachen von AD(H)S in Betracht. Darüber hinaus werden Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten, chronische Schwermetallvergiftungen und Nikotin- und Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft als Gründe für die Entstehung von AD(H)S diskutiert. Nicht zuletzt hat auch das Lebensumfeld mit seiner Reizüberflutung, Leistungsdruck, sozialen Spannungen oder dem Fehlen von Zuwendung einen ernst zu nehmenden Einfluss auf die Entwicklung des Kindes und die Entstehung von AD(H)S. Es entsteht eine Überforderung, der das Kind nicht mehr gewachsen ist. Sein daraus resultierendes Verhalten muss als Versuch gewertet werden, mit der belastenden Situation umzugehen. Auch ein für AD(H)S typisches Verhalten kann als solcher Kompensationsversuch verstanden werden.
In der Regel handelt es sich nicht um eine einzelne Ursache, die wir für das Verhalten eines Kindes verantwortlich machen können. Vielmehr geht es um eine Verquickung mehrerer Einflussgrößen, die sich nicht selten gegenseitig potenzieren. Will man das Problem AD(H)S in seiner Tiefe verstehen, kommt man zu der Frage, was bei der Reizverarbeitung von Kindern mit AD(H)S anders läuft. Was hindert AD(H)S-Kinder daran, wesentliche Informationen von unwesentlichen zu unterscheiden, erstere adäquat zu analysieren und in ihr Bild von der Welt an passender Stelle einzubauen, so dass sie bei Bedarf wieder darauf zugreifen können?
AD(H)S – wenn die Verarbeitung von Eindrücken überfordert
Als zugrundeliegender Mechanismus bei AD(H)S werden vor allem abweichende biochemische Prozesse im Gehirn angegeben. So kann es sein, dass bei AD(H)S Botenstoffe innerhalb des Nervensystems nicht in ausreichender Menge weitergeleitet werden können. Es kommt zur Verlangsamung oder Blockade von Nervenimpulsen in einzelnen Gehirnarealen. Entsprechend der Lokalisation sehen wir dann eher die überagitierte (ADHS) oder die ausgebremste, wegdriftende (ADS) Form der Aufmerksamkeitsstörung.
Aber nicht bei allen AD(H)S-Patienten liegt eine Störung der neurochemischen Abläufe vor. Eine verzögerte oder gestörte Ausreifung des kindlichen Nervensystems kann zu mangelnden oder fehlerhaften Verschaltungen der einzelnen Funktionsbereiche im Gehirn führen.
Unser Gehirn ist in einer Vielzahl von Nervenzentren organisiert, die sowohl örtlich voneinander getrennt sind, als auch jeweils eine ganz eigene Aufgabe erfüllen. Um eine optimale Interaktion mit der Umwelt zu gewährleisten, müssen diese Nervenzentren stetig und intensiv zusammenarbeiten und zeitnah ein möglichst realistisches Bild der äußeren und inneren Welt erstellen. Das Zusammenspiel und die Koordination der unterschiedlichen Sinnesqualitäten und -zentren (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) nennt man die sensorische Integration. Die dafür notwendigen Verknüpfungen bilden sich im Laufe der Entwicklung unseres Nervensystems heraus. Dieser Prozess ist vorgeburtlich im Mutterleib und während der Neugeborenen- bis Kleinkindzeit besonders intensiv. Je älter das Kind wird, desto mühsamer wird es, nachzuholen oder auszugleichen, was früher versäumt wurde.
Sind diese Zentren nun aber untereinander nur unzureichend verknüpft, kommt es zur lückenhaften oder falschen Verarbeitung von Nervenimpulsen. Es entstehen Fehlinterpretationen, die Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Wahrnehmungsinhalten fällt schwer. Die Folgen sind Irritation und Überforderung. Ein Teil der Eindrücke, welche von dem weniger optimierten ´Datennetzwerk´ in der entsprechenden Zeit nicht verarbeitet werden können, geht verloren. Eine mögliche Folge davon kann z.B. sein, dass ein Kind zwar noch die morgendliche Begrüßung der Lehrerin aufnehmen und verarbeiten kann, der Datenspeicher dann aber voll ist und weitere Informationen, wie z.B. Aufgabenstellungen, die die Kinder bearbeiten sollen, nicht mehr ankommen.
Was passiert? Das Kind wird unruhig. Es versucht, sich die nicht erhaltene Information auf einem anderen ´Kanal´ zu beschaffen oder täuscht wenigstens Betriebsamkeit vor. Die andern Kinder sind schließlich auch alle beschäftigt. Durch die dann in der Regel eintreffenden Botschaften, wie: „Schwatz nicht!“, „Hast mal wieder nicht aufgepasst!“, beginnt eine Negativ-Spirale zwischen emotionalem Druck, Überforderung und weiterer Verengung der sensorischen Aufnahmekapazität, aus der das Kind aus eigener Kraft nicht mehr herauskommt.
Wenn Lebensmittel zu AD(H)S führen
Allergische Reaktionen oder Unverträglichkeiten von Lebensmitteln und Zusatzstoffen werden oft als weitere mögliche Ursache von AD(H)S diskutiert. Tatsächlich können diese Faktoren zu einem AD(H)S-Verhalten führen. Wer jemals unter einer auch nur mäßig ausgeprägten Allergie gelitten hat, kann das sicher leicht nachvollziehen. Beschwerden wie starker Juckreiz oder Verdauungsstörungen führen hier zu Unruhe und Unkonzentriertheit. Treten sie während der Nacht auf, fühlt sich der Patient in Folge unausgeschlafen, was wiederum die Konzentrationsfähigkeit herabsetzt und die Reizbarkeit (Impulsivität) ggf. erhöht. Daher sollte man dem nachgehen, sobald sich Hinweise auf ein entsprechendes Geschehen bei einem AD(H)S-Patienten zeigen. Aus dem Nahrungsmittelbereich sind vor allem die folgenden Stoffe im Gespräch:
Zusätzlich wäre hier noch in einigen wenigen Fällen eine Schwermetallintoxikation (Quecksilber, Blei) als mögliche Ursachen von AD(H)S zu nennen. Die belastenden Schwermetalle können durch Umweltgifte (Holzschutzmittel), Amalgamfüllungen der Mutter oder Impfungen, die mit einem quecksilberhaltigen Konservierungsmittel versetzt sind, in das Kind gelangt sein. Allerdings gilt die Anzahl der rein allergisch oder toxisch bedingten Fälle als sehr gering.
AD(H)S-Verhalten – wenn andere Erkrankungen dahinter stecken
Auch eine organische Beeinträchtigung vor allem der Sinnesorgane (Fehlsichtigkeit, Schwerhörigkeit), ein Krampfleiden oder eine Schilddrüsenproblematik kann ein AD(H)S-ähnliches Verhalten auslösen. Ebenso ist vor der AD(H)S-Diagnose an Überforderung und Erschöpfungszustände sowie andere psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen, Autismus-Spektrum, Suchterkrankungen etc. zu denken. Das ist zwar verhältnismäßig selten, aber im Einzelfall kann hier eine korrigierende Brille, ein Hörgerät oder eine angemessene Behandlung der Grunderkrankung das Problem lösen.
[Der Begriff Autismus-Spektrum umfasst die gesamte Palette autistischer Erscheinungen, die je nach individueller Ausprägung weiter unterschieden werden können in den Asperger- Autismus, der leichter verläuft und häufiger als Differentialdiagnose oder Zusatzerkrankung zu AD(H)S genannt wird und den Kanner- oder frühkindlichen Autismus, der schwereren Form, welche sich in der Regel schon vom frühesten Kindesalter bemerkbar macht und deutlicher abgrenzbar ist.]
Das Ziel
Das Ziel, der nachhaltigen Besserung der AD(H)S-Problematik ist nur über einen Prozess des Lernens und sich Entwickelns durch den Patienten zu erreichen. Dieser wird einen längeren Zeitraum mit Höhen und Tiefen einnehmen und nur zur Zufriedenheit gelingen, wenn alle Möglichkeiten der Förderung ausgeschöpft werden. Ein ganz besonderer Stellenwert, vielleicht sogar der wichtigste, kommt dabei der Elternarbeit zu.
Das Verhalten des Kindes ist als eine quasi ´gesunde´ Reaktion auf einen krankmachenden Reiz zu verstehen und zunächst erst einmal so anzunehmen. Darauf gilt es, alles was die Problematik des Kindes (AD(H)S-Verhalten) begünstigt, zu erkennen und soweit es geht, aus dem Weg zu räumen (Leistungsdruck, soziale Spannungen, Ängste, belastende Nahrungsmittel etc.). Klare Grenzen, ein geregelter Tagesablauf und Rituale geben ein Gerüst, das es dem Kind erleichtert, sich zu orientieren.
Dieser Prozess erfordert von allen Beteiligten sehr viel Geduld. Gerade die Eltern unserer ´Problemkinder´ können dabei, verständlicherweise, schnell an ihre Grenzen geraten. Hier ist es wichtig, dass auch sie Hilfe bekommen. Zu denken wäre an Eltern-Trainings-Programme wie „Tripple-P“ oder „Starke Eltern, starke Kinder“, in denen man in einem geschützten Rahmen, den Umgang mit schwierigen Situationen besprechen, in Rollenspielen ausprobieren und reflektieren kann. Es kann eine große Hilfe sein, sich einmal in die Situation des Kindes zu begeben oder als externer Beobachter das Geschehen auf sich wirken zu lassen. Auch die parallele Therapie der Eltern kann sinnvoll sein. Denn auch Eltern brauchen einen unverstellten Zugang zu ihren Ressourcen und sollten im Gleichgewicht mit sich selbst sein. Je nach Bedarf kann eine (Auswahl) der folgenden Therapien zum Einsatz kommen oder der eigene Weg beschritten werden:
Alternative Therapien bei AD(H)S
Aus bisher gesagtem wird deutlich, dass es nicht eine allgemeingültige Behandlung für alle AD(H)S-Fälle geben kann und dass wir es im Allgemeinen mit vielschichtigen, sehr individuellen Prozessen zu tun haben, die einer ebenso vielschichtigen und individuellen Behandlung bedürfen. Hier ist die enge Zusammenarbeit zwischen dem AD(H)S-Patienten und dessen Eltern und Lehrern auf der einen Seite und einem Team gut ausgebildeter Therapeuten auf der anderen Seite gefragt.
Homöopathie bei AD(H)S
Einen entscheidenden Eckpfeiler stellt für uns die klassisch homöopathische Behandlung unserer Patienten dar. Hierbei ist AD(H)S als chronisches Krankheitsbild zu verstehen, also einer tiefsitzenden Störung welche, „sich selbst überlassen und ohne den Gebrauch eines gegen sie (die chronische Krankheit) gerichteten spezifischen Heilmittels immer weiter zunimmt.“ (Samuel Hahnemann im Organon der Heilkunst, 6. Aufl. § 78).
Das ´spezifische Heilmittel´ ist eine individuell auf den jeweiligen Zustand des Patienten abgestimmte Arznei. Diese liefert den notwendigen Impuls, welcher den Organismus befähigt, Blockaden aufzulösen und zu einem stabileren inneren Gleichgewicht zu finden. Es wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die es dem Patienten ermöglicht, sein Leistungspotential zunehmend besser auszuschöpfen, kreativer zu werden und sich insgesamt, entsprechend seiner Möglichkeiten, freier zu entfalten. Dieser Prozess kann Monate bis Jahre in Anspruch nehmen und gehört in die Hände eines erfahrenen, speziell ausgebildeten Therapeuten.
Abraten möchte ich vor Versuchen der Selbstbehandlung. Es geht hier nicht darum, mal eben schnell ein Symptom aus dem Weg zu räumen, sondern um die Stimulierung regulatorischer Prozesse tief im Organismus. Hier ist unbedingt ein Fachmann gefragt, der nach gründlichem, mehrjährigem Studium der klassischen Homöopathie in der Lage ist, das passende Einzelmittel auszuwählen und den Verlauf der Therapie zu beurteilen. Generell gibt es hunderte von potentiell wirksamen Arzneien für unsere AD(H)S-Patienten. Davon werden mindestens 30 besonders häufig mit Erfolg eingesetzt. Aber im jeweiligen Einzelfall ist es immer ein bestimmtes Mittel oder eine ganz bestimmte Mittelfolge, die dem Patienten hilft, seine Schwierigkeiten besser zu meistern. Die Veränderungen, die auf das Mittel eintreten sind oft sehr subtil und für den Laien schwer zu beurteilen. So können zum Beispiel vorübergehend leichte körperliche Beschwerden auftreten oder die Steigerung etwaiger Ängste oder Aggressionen alarmieren. Eine gleichzeitige Besserung der Konzentrationsfähigkeit wird dann mitunter übersehen und das Mittel vorschnell gewechselt. Je mehr Mittel, ohne korrekte Beurteilung der Gesamtsituation, das Kind aber erhält, desto mehr geraten die ursprünglichen Symptome durcheinander. Im Nachhinein fällt es dann oft schwer, die exakten Signale des Kindes aus dem Wirrwarr der durch die vielen verordneten Mittel modifizierten Symptome herauszufiltern. Aus diesem Grund stehe ich auch dem Einsatz homöopathischer Komplexmittel skeptisch gegenüber.
Bei der homöopathischen Behandlung geht es nicht darum, in die Persönlichkeit des Kindes einzugreifen. Wir alle haben unsere größeren oder kleineren Schwachstellen, die ein Teil unserer Individualität sind und uns von allen anderen Menschen abheben. Nur indem wir lernen, diese zu akzeptieren, können sie unser Leben bereichern. Dagegen beschneidet der Versuch, menschliches Verhalten in Schablonen zu pressen, unser Selbst und macht uns ärmer und kränker. Daher kann es nicht unser Ziel sein, nur ein besseres „Funktionieren“ des Kindes durch reine Symptomenunterdrückung zu erreichen – etwa, um dem Kind den Klassenerhalt in einer „Schul-Liga“ zu sichern, in die es aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten eigentlich nicht gehört.
Die Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung bei AD(H)S konnte anhand wissenschaftlicher Studien nachgewiesen werden [Frei, 2009]. Allerdings stellt der entwicklungsfördernde und ausgleichende Impuls des homöopathischen Arzneimittels aus meiner Sicht nur einen Pfeiler der Therapie dar. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Aber man kann es düngen. Und Homöopathie ist hier ein geeigneter Dünger.
Um eine optimale Entwicklung des Kindes anzuregen, wird ein individueller Behandlungsplan zusammengestellt, in den, je nach Bedarf, einige der folgenden Therapien aufgenommen werden:
Homöopathie
Homöopathika werden sehr individuell abgestimmt, deshalb sind homöopathische Mittel, ohne Rücksprache mit dem homöopathischen Arzt, Therapeut oder Heilpraktiker nicht anzuwenden.
Da die Dosierung von pflanzlichen und homöopathischen Arzneimitteln eine höchst individuelle Angelegenheit ist, bei dem seelische, geistige und körperliche Äußerungen mitberücksichtigt werden um zum richtigen Mittel zu gelangen, ist von einer Selbstmedikation abzuraten. Ein erfahrener Heilpraktiker mit viel Fachwissen oder ein Arzt für Naturheilverfahren, der Homöopathie als Therapieverfahren anwendet, legt mit Ihnen das für Sie, Ihren Konstitutionstyp und den Schweregrad Ihrer Erkrankung genau passende Mittel fest.
Die homöopathische Behandlung:
In einer ausführlichen Anamnese (Krankengeschichte) versucht der Homöopath, den Patienten als Ganzes in all seinen Lebensbereichen zu erfassen und alle Symptome und bisherigen Erkrankungen zu ordnen. Anhand dieser Gesamtheit der Symptome, wird anschließend das homöopathische Mittel bestimmt, das in seinem Arzneimittelbild die beste Übereinstimmung mit den Symptomen des Patienten aufweist. Eine homöopathische Behandlung von chronischen Krankheiten wird auch als Konstitutionsbehandlung bezeichnet.
Akupunktur:
Diese Therapieform ist geeignet, Energien wieder zum fließen zu bringen. Sie basiert auf der Akupunktur-Lehre.